Automatisiertes Fahren ? Sinkende Unfallzahlen bei höheren Kosten

Im Jahr 2035 könnten, abhängig vom Verbreitungsgrad, durch Assistenzsysteme und autonome Fahrzeuge bis zu 15,2 Prozent an Unfällen verhindert werden.

Assistenzsysteme und autonome Fahrzeuge sollen für weniger Unfälle im Straßenverkehr sorgen. Unklar ist bisher, wie groß diese Effekte ausfallen werden. Experten des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) haben nun analysiert, wie sich die Technik tatsächlich auswirkt.

Die Bandbreite der bisherigen Prognosen hinsichtlich der Entwicklung der Unfallzahlen durch autonome Fahrzeuge könnte größer kaum sein: Die einen verweisen darauf, dass 90 Prozent der Unfälle auf menschliches Versagen zurückzuführen sind und erwarten daher einen rasanten Rückgang der Unfallzahlen.

Andere betonen, dass der menschliche Fahrer im Schnitt nur alle drei Millionen Kilometer einen Unfall mit Personenschaden verursacht und werfen die Frage auf, ob Assistenzsysteme und automatisierte Fahrfunktionen das hohe Sicherheitsniveau menschlicher Fahrer in absehbarer Zeit überhaupt erreichen können.

Vor diesem Hintergrund hat der GDV eine interdisziplinäre Projektgruppe aus Ingenieuren, Mathematikern, Versicherungsexperten und Unfallforschern gebildet und mit der Beantwortung folgender Leitfrage beauftragt: Wie schnell und wie umfassend wird sich der technologische Fortschritt in der Fahrzeugsteuerung auf das Schadengeschehen und die Kfz-Versicherung auswirken?

Die Wahrheit liegt offenbar in der Mitte: Den Ergebnissen zufolge werden die Entschädigungsleistungen der Kfz-Versicherer bis 2035 im Vergleich zu 2015 durch die neuen Systeme um 7 bis maximal 15 Prozent sinken. Im Bezugsjahr 2015 hatten die Versicherer Schäden in Höhe von rund 22 Milliarden Euro reguliert.

?Die neuen Systeme machen das Autofahren zwar sicherer, sie verbreiten sich im Fahrzeugbestand aber nur langsam und machen Reparaturen im Schadenfall teurer. Auf absehbare Zeit hat der technologische Fortschritt also nur geringen Einfluss auf das Schadengeschehen?, sagt Bernhard Gause, Mitglied der GDV-Geschäftsführung.

Für Pkw, auf die 2015 rund 90 Prozent der Entschädigungsleistungen entfielen, haben die Studienautoren insgesamt sechs Systeme analysiert: Den Spurhaltesystem und Spurwechselassistent, dem Notbremsassistent, Park- und Rangierassistent, sowie den Autobahnpilot und den City- bzw. Landstraßenpilot.

Die Systeme verhindern weniger Schäden als in der Theorie

Eine Vielzahl der Schäden können durch die genannten Systeme nicht beeinflusst werden. Ein Autobahnpilot schützt nicht vor Autodieben, eine Einparkhilfe verhindert keinen Steinschlag und auch keine Hagelschäden. Zudem wird es weiterhin durch unvorsichtig geöffnete Türen zu Schäden kommen, ebenso wie durch die Tatsache, dass auch das beste Notbremssystem die physikalischen Gesetze nicht aushebeln kann, die für den Bremsweg eines Autos gelten.

Unter dem Strich können die genannten Systeme in der Theorie für maximal 56 Prozent der Entschädigungsleistungen in der Kfz-Haftpflichtversicherung und maximal 27 Prozent in der Kaskoversicherung relevant sein. Die höchste Relevanz bei Haftpflichtschäden erreicht der Notbremsassistent, der zu 28 Prozent weniger Schadenaufwand führen könnte. Bei den Kaskoschäden zeigt sich hingegen die höchste Relevanz für den Park- und Rangierassistenten, der ein Einsparungspotenzial von bis zu 16 Prozent aufweisen kann.

Auf dem Weg zu einem realistischen Resultat kann das theoretische Maximum allerdings nur ein erster Zwischenschritt sein. Im Rahmen der Studie wurde in einem weiteren Schritt für jedes betrachtete System ermittelt, welcher Teil der Schäden unter realen Bedingungen im Straßenverkehr tatsächlich vermieden werden könnte (Effizienz) und wie häufig die Fahrer die vorhandenen Systeme überhaupt einsetzen (Nutzungsgrad). Nach Einschätzung der GDV-Experten steigt die Effizienz insbesondere dann, wenn mehrere Fahrerassistenzsysteme miteinander verknüpft sind.

Ansehen Lesen