Gravitationswellen aus dem Heimcomputer

14.06.17 | Autor / Redakteur: Thomas Bührke* / Dr. Anna-Lena Idzko

Idee in der Kantine: Bruce Allen, Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover, diskutierte im Jahr 1999 beim Essen mit einem Kollegen über die Möglichkeit, Daten von Gravitationswellendetektoren durforsten zu lassen. Daraus entstand schließlich das Projekt Einstein@Home, an dem bisher mehrere Hunderttausend Menschen weltweit teilgenommen haben. Der Atlas-Cluster, neben dem Allen hier steht, spielt in dem Netzwerk eine zentrale Rolle.

Das Projekt Einstein@Home, an dem das Max-Planck-Institut für Gravitationswellenphysik beteiligt ist, ermöglicht es jedermann, am eigenen PC, Laptop oder Smartphone nach Gravitationswellen zu suchen und damit selbst zum Entdecker zu werden.

Bruce Allen, Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover, hat dieses Citizen-Science-Projekt begründet. Mittlerweile spürt die Software in den Big Data außerdem Pulsare auf. An dieser Fahndung sind auch Forscher des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn beteiligt.

Die Entdeckung einer Gravitationswelle am 14. September 2015 mit den LIGO- Detektoren in den USA gilt als wissenschaftliche Sensation. Eine der letzten Vorhersagen von Albert Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie war damit bestätigt. Maßgeblich an dem Fund beteiligt waren Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik in Golm und Hannover (MaxPlanckForschung 1/2016, Seite 78 ff.).

Bildergalerie

Die erste nachgewiesene Gravitationswelle war unerwartet stark, ihr Signal selbst mit bloßem Auge in dem Datenstrom zu erkennen, den der in Hannover stehende Supercomputer Atlas unentwegt analysierte. Dort bemerkte ein Forscher des Max-Planck-Instituts das Signal als Erster. Doch es ginge auch anders.

Seit dem Beginn der LIGO-Messungen suchen die Wissenschaftler nach schwachen periodischen Gravitations­wellen, wie sie vermutlich schnell rotierende Neutronensterne aussenden. Atlas ist hierfür der weltweit größte Cluster zur Datenanalyse, doch bei dieser Aufgabe stößt selbst er an seine Grenzen.

Dieses Problem war den Konstrukteuren der Gravitationswellendetektoren von Anfang an bewusst, und so kamen zwei von ihnen auf eine Idee. ?Es war der 19. August 1999?, erinnert sich Bruce Allen noch ganz genau. Am California Institute of Technology (Caltech) traf er sich mit seinem Kollegen Stuart Anderson zum Essen. Allen hatte in der Los Angeles Times einen Artikel über das Projekt SETI@Home gelesen. Die Suche nach Signalen einer außerirdischen Intelligenz in den Daten großer Radioteleskope stellt die Forscher vor dieselben Probleme wie Allen und Kollegen: Wie kann man in dem riesigen Datenwust periodische Signale finden?

Ein Netzwerk mit gigantischer Rechenkapazität

SETI@Home basiert auf einer dezentralen Analyse der Daten, die paketweise auf Tausende von Privatrechnern verteilt werden. Und das geht so: Man meldet sich mit seinem heimischen PC an und erhält daraufhin eine Software, die immer dann die Daten durchforstet, wenn der Bildschirmschoner anspringt.

Das Ergebnis wird automatisch zurückgeschickt. Auf diese Weise lässt sich die Suche nach Signalen auf ein Netzwerk mit einer enormen Rechenkapazität verteilen. SETI@Home stieß von Beginn an auf sehr großen Zuspruch. Allerdings: Die Fahndung nach Aliens blieb bisher vergeblich.

?Ich diskutierte mit Stuart über die Möglichkeit, die Gravitationswellendaten der beiden LIGO-Instrumente auf dieselbe Weise durchsuchen zu lassen?, sagt Bruce Allen. ?Aber dann dachten wir: Alle interessieren sich für Aliens, aber wen kümmern schon Gravitationswellen??

Damit war die Idee gestorben; vorerst jedenfalls. Vier Jahre später kam der Stein dann doch ins Rollen. Allen erhielt den Anruf eines SETI@Home-Pioniers, der nach Aktionen für das anstehende internationale Einstein-Jahr 2005 suchte.

Sofort fiel Allen wieder das Gespräch in der Caltech-Kantine ein ? und er sah plötzlich eine Chance für die damals diskutierte Idee. Umgehend stellte der Forscher bei der National Science Foundation einen Antrag auf finanzielle Förderung von zwei Millionen Dollar über drei Jahre, in den er die Universität Berkeley sowie das Max-Planck-Institut miteinbezog. Doch die vergleichsweise kleine Summe wurde nicht bewilligt. Mittlerweile war es Juni 2004, das Einstein-Jahr nicht mehr weit.

Link zum Artikel Weiter lesen…